Telearbeit in der post-industriellen Gesellschaft, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart. 2000

Als „Home-Working“ noch Telearbeit hieß, haben wir uns mit der Frage der virtuell vernetzten Arbeitswelt beschäftigt. Im Jahr 2000 wurden die Ergebnisse eines für die Wüstenrot Stiftung erstellten Forschungsprojekts veröffentlicht, das unter der Leitung von Kurt Vogler-Ludwig in Zusammenarbeit mit Nicola Düll und mehreren Mitarbeitern des Ifo-Instituts, München, erstellt worden war. Damals waren die technischen Voraussetzungen für die Anwendung von Telearbeit zwar gegeben, aber die „post-industrielle“ Wirtschaft war noch nicht soweit: Nur etwa 2 ½ % der Beschäftigten arbeiteten an Telearbeitsplätzen aber 40 % der Beschäftigten äußerten Interesse an dieser Arbeitsform.

Das größte Hindernis lag in der Organisation der Unternehmen und im Management, das den Kontrollverlust über seine Beschäftigten befürchtete (Telearbeit in der post-industriellen Gesellschaft, Seite 217 f.). Es sollte noch zwei Jahrzehnte dauern, bis die weltweite Verbreitung des Corona-Virus den Managern noch mehr Angst einjagte: Innerhalb weniger Monate wurde aus Sorge um die noch raschere Ausbreitung der Krankheit ein guter Teil der Arbeitsplätze ins Homeoffice verlegt, ersetzten Videokonferenzen die Geschäftsreisen, wurde Schulen und Universitäten auf Online-Unterricht umgestellt. Nach vielen Jahren Stillstand und „Weiter-so“ ist die virtuelle Arbeitswelt plötzlich Realität.

Dies zeigt, welch großer Kräfte es bedarf, um dem Management zur Einsicht und einer neuen Arbeitsorganisation zum Durchbruch zu verhelfen. Denn die Vorteile der Telearbeit lagen schon damals auf dem Tisch: die Einrichtung von Telearbeitsplätzen war zu niedrigen Kosten möglich, die Telekommunikation war schon damals billig und ihre Preise sanken kontinuierlich, vor allem aber lag die Produktivität der Beschäftigten an Telearbeitsplätzen nicht niedriger, sondern höher als an konventionellen Büroarbeitsplätzen (Seite 219). Aber: Telearbeit verlangte einen anderen Führungsstil. Nicht die technische Ausstattung war das Problem, sondern der Einsatz der Beschäftigten als selbstverantwortliche „Wissensarbeiter“. Das Management musste sich von der zeitorientierten zur output-orientierten Kontrolle bewegen, von starren Produktions- und Leistungsprozessen zu flexibler, sich selbst organisierender Kooperation. Management by Objectives war ein neues Schlagwort. Nicht die technischen Standards waren also das Hemmnis, sondern die Reorganisation der Wertschöpfung (Seite 84).

Die Studie befasst sich mit einem weiten Spektrum an Fragen um die Telearbeit:

  • Sie sieht die Gefahren für die Zeitsouveränität der Beschäftigten bei einer dezentralen Just-In-Time-Produktion, der Isolation, der Auflösung des Arbeitnehmerverhältnisses und der Schwächung einer wirksamen Arbeitnehmervertretung (Seite 110 ff.).
  • Sie sieht langfristige Veränderungen für die räumlichen Siedlungs- und Produktionsstrukturen. Allerdings finden die Verlagerungen in die kostengünstigen ländlichen Räume nur sehr langsam statt, da die bestehenden Gebäude eine hohe Flexibilität aufweisen und die räumliche Immobilität von Arbeitnehmern und Unternehmen als hoch eingestuft wird (Seite 136 ff.).
  • Ambivalente Effekte werden für Verkehr und Umwelt erwartet. Einerseits entlastet die Telearbeit sowohl Verkehr als auch Umwelt. Andererseits gibt es gegenläufige Effekte durch ein verändertes Freizeitverhalten und eine größeres Verkehrsaufkommen in einer dezentralen Arbeits- und Produktionsstruktur. (Seite 177 ff.).

Die Studie erschien 2000 unter dem Titel „Telearbeit in der post-industriellen Gesellschaft“ im Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart.

Zusammenfassung: Nicola Düll, Kurt Vogler-Ludwig (2001): Telearbeit in der post-industriellen Gesellschaft. Discussion Paper.